Dies ist der zweite Teil der Artikelserie zum passiven Investieren. Im ersten Teil hast du die Grundlagen kennengelernt. Der zweite Teil geht näher auf das Risiko ein und gibt einen Überblick über die realistisch erzielbaren Renditen. Außerdem erfährst du, welche Faktoren dein persönliches Risikoprofil beeinflussen können.
Im Rahmen dieser Artikelserie sind die folgenden Artikel erschienen:
- Teil 1: Die Grundlagen einfach erklärt
- Teil 2: Wie du die richtige Balance zwischen Rendite und Risiko findest
- Teil 3: So baust du dir ganz einfach dein Weltportfolio
- Teil 4: Wie du den passenden ETF für dich findest
- Teil 5: Richtig entsparen mit einem Auszahlplan
Investieren ohne Risiko geht nicht
„There ain’t no free lunch“.
Diese Redewendung stammt aus dem amerikanischen Sprachgebrauch und lässt sich sinngemäß mit „Es gibt nichts umsonst“ übersetzten. Wer sich länger mit der Börse beschäftigt, wird diesem Satz häufiger begegnen. Denn er bedeutet nichts anderes, als dass Rendite und Risiko untrennbar miteinander verbunden sind.
Rendite ist die Belohnung für das Eingehen von Risiken. Eine positive Realrendite, also eine Rendite oberhalb der Inflationsrate, kann demnach niemals garantiert werden. Nur Geldanlagen mit einem gewissen Risiko können langfristig eine positive Realrendite erzielen.
Rendite kommt also von Risiko. Von Investments mit einem geringen Risiko sind demnach auch keine hohen Renditen zu erwarten. Wer keine Risiken eingehen möchte, kann auch keine positiven Erträge erzielen.
Die Definition von Risiko bei der Geldanlage
Wer einen bestimmten Geldbetrag für eine Investition zur Verfügung stellt, sollte dies immer in Erwartung einer realistischen Rendite tun. Das Risiko besteht nun darin, dass die erwartete Rendite in manchen Zeiträumen ausbleiben kann. Aber nicht nur eine etwas geringere Rendite, auch Verluste sind möglich.
Risiko bedeutet vereinfacht gesprochen, dass an einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft ein geringerer Geldbetrag zur Verfügung steht als zuvor erwartet wurde. Es geht bei der Betrachtung des Risikos also um Wahrscheinlichkeiten und Unsicherheiten.
Allerdings ist ein negatives Ereignis nicht automatisch ein Risiko. Ein negatives Ereignis ist in der Welt des Investierens nur ein Risiko, wenn es nicht erwartet wurde.
Wenn ein Unternehmen nur Verluste macht, ist eine Investition in dieses Unternehmen nicht riskant, da die Verluste ja bekannt und in den dann niedrigen Aktienkurs längst eingepreist sind. Das Risiko bei der Investition in ein solches Unternehmen besteht lediglich darin, dass sich die finanzielle Situation des Unternehmens unerwartet weiter verschlechtert.
Eine wichtige Kennzahl zur Einordnung des Risikos ist die Volatilität. Die Volatilität ist die Standardabweichung von einem Durchschnittswert für einen bestimmten Zeitraum. Steigt und fällt der Kurs einer Aktie in einem Zeitraum stark, ist die Volatilität hoch. Die Aktie verfügt in diesem Fall über ein eher höheres Risiko. Umgekehrt gilt eine Aktie mit einer geringen Volatilität als weniger riskant.
Börsenlexikon: Standardabweichung
Die Standardabweichung ist ein Begriff aus der Statistik und sagt aus, wie stark ein Wert vom Mittelwert abweicht. Eine Standardabweichung umfasst ca. 68 Prozent aller gemessenen Daten.
Beträgt die durchschnittliche langfristige Rendite einer Aktie z. B. 5 Prozent pro Jahr und die dazugehörige Standardabweichung 15 Prozent, dann bedeutet dies, dass die Wertentwicklung in einem Jahr mit einer Wahrscheinlichkeit von ca. 68 Prozent zwischen +20 und -10 Prozent liegt.
Rendite und Risiko der unterschiedlichen Anlageklassen
Willst du besser einschätzen können, welche Renditen und Risiken du von den risikobehafteten Anlageklassen Aktien, Immobilien und Rohstoffen erwarten kannst, musst du die Zahlen dazu kennen. Vor allem die Rendite wird oftmals überschätzt. Natürlich bilden die Zahlen nur die Vergangenheit ab, aber sie vermitteln eine ungefähre Vorstellung von der zukünftigen Entwicklung.
Die nachfolgend angegebenen Renditen sind jeweils die realen Renditen der Anlageklasse. Das ist die um die Inflation bereinigte Rendite. Wenn z. B. eine Aktie in einem Jahr 10 Prozent steigt und die Inflationsrate beträgt im gleichen Jahr 3 Prozent, dann ergibt sich eine reale Rendite von 7 Prozent.
Die reale Rendite des weltweiten Aktienmarktes lag seit dem Jahr 1900 bis heute bei ca. 5 Prozent pro Jahr. Für das Risiko in Form der Volatilität konnte ein Wert von 17 Prozent gemessen werden.
Für die Anlageklasse Immobilien sind historische Daten nur sehr eingeschränkt verfügbar. Im Vergleich zur Anlageklasse Aktien werden die Preise für Immobilien nicht tagtäglich an der Börse festgestellt. Brauchbare Daten existieren nur für wenige Länder und dann oft auch nur für die größten Städte. Ebenso berücksichtigen die verfügbaren Daten keine Instandhaltungs- und Sanierungskosten. Daher basieren die Zahlen für Immobilien nur auf Schätzungen.
Auf Basis der verfügbaren Daten und verschiedener Abschätzungen, kann für die durchschnittliche Rendite von Wohnimmobilien aus elf westlichen Ländern eine reale Rendite von 2,4 Prozent pro Jahr angenommen werden.
Um das Risiko von Immobilieninvestments besser zu verstehen, besteht die Möglichkeit auf die Daten von börsennotierten Immobilienunternehmen zurückzugreifen. Diese werden genau genommen zu der Anlageklasse Aktien gezählt und sind eine einfache Möglichkeit mit relativ wenig Geld in viele Immobilien zu investieren. Ist vom weltweiten Aktienmarkt die Rede, beinhaltet dieser also auch immer Aktien von Immobilienunternehmen.
Mit einer Volatilität von 19 Prozent war z. B. ein Investment in US-amerikanische Wohnimmobilien ähnlich riskant wie eine Investition in den gesamten US-amerikanischen Aktienmarkt.
Die Rendite der Anlageklasse Rohstoffe liegt weit unterhalb von Aktien und betrug seit dem Jahr 1877 nur ca. 1 Prozent pro Jahr. Bei einer gleichzeitigen Volatilität von 28 Prozent war das Risiko im Vergleich zu Aktien und Immobilen zudem deutlich erhöht.
Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass Aktien das beste Risiko/Rendite Verhältnis aufweisen und daher im risikobehafteten Teil des Portfolios den größten Anteil haben sollten.
Das wichtigste Instrument zur Senkung des Risikos
Gäbe es kein Risiko und könnte man die Wertentwicklung eines Vermögenswertes mit völliger Sicherheit vorhersagen, dann wäre das einzig richtige Vorgehen, das gesamte Kapital in den Vermögenswert mit der höchsten vorhergesagten Rendite zu konzentrieren.
Leider weiß man immer erst hinterher, welche positiven und negativen Renditen die einzelnen Vermögenswerte erzielt haben. Besser ist es daher, das Kapital auf mehrere Vermögenswerte aufzuteilen, was zu einer Senkung des Gesamtrisikos führt.
Dazu betrachten wir in einem einfachen Beispiel mal die zwei Unternehmen A und B über einen Zeitraum von 10 Jahren. Unternehmen A erzielt in geraden Jahren immer einen Gewinn von 10 Euro und in ungeraden Jahren einen Verlust von 2 Euro. Dagegen erzielt Unternehmen B in geraden Jahren einen Verlust von 2 Euro und in ungeraden Jahren einen Gewinn von 10 Euro.
Beide Unternehmen erzielen einzeln betrachtet demnach einen durchschnittlichen Gewinn von 4 Euro. Die Standardabweichung beträgt 6,3 Euro.
Befinden sich nun beide Unternehmen genau gleichgewichtet in einem Portfolio, beträgt der durchschnittliche Gewinn weiterhin 4 Euro. Die Standardabweichung sinkt dagegen auf Null.
Dieses zugegebenermaßen nicht ganz realistische Beispiel zeigt eindrucksvoll, wie sich durch die Aufteilung des Kapitals auf mehrere Vermögenswerte das Risiko eines Aktien-Portfolios deutlich reduziert.
Grundsätzlich sind Aktien folgenden Risiken ausgesetzt:
- Einzelwertrisiko: Betrifft nur das einzelne Unternehmen in das investiert wird, wie z. B. eine falsche Entscheidung der Geschäftsleitung.
- Asset-Klasse-Risiko: Negative Einflüsse, die eine ganze Branche oder Region betreffen, wie z. B. hohe Energiepreise. Davon wären insbesondere energieintensive Industrieunternehmen betroffen.
- Gesamtmarktrisiko: Betrifft alle Unternehmen weltweit, wie z. B. ein gleichzeitiger Konjunktureinbruch in den größten Wirtschaftsräumen der Welt.
Durch die richtige Diversifikation über eine Vielzahl von Einzelwerten aus verschiedenen Branchen und Regionen, lässt sich das Einzelwertrisiko sowie das Asset-Klasse-Risiko vollständig eliminieren. Einzig das Risiko des Gesamtmarktes lässt sich auch durch die maximal mögliche Diversifikation nicht beseitigen.
So bestimmst du die Höhe deines risikobehafteten Portfolioanteils
Dein gewünschtes Risiko und die gewünschte erwartete Rendite kannst du über das prozentuale Verhältnis der beiden Portfolioanteile risikobehaftet und risikofrei steuern.
Bei einem risikobehafteten Anteil von 100 Prozent der ausschließlich aus Aktien besteht, wirst du die volle Rendite des Aktienmarktes erzielen. Umgekehrt erzielst du bei einem risikofreien Anteil von 100 Prozent maximal einen Inflationsausgleich mit einer realen Rendite von ungefähr Null. Dazwischen sind, in Abhängigkeit deiner eigenen Risikotragfähigkeit, beliebige Aufteilungen zwischen den beiden Portfolioanteilen möglich.
Die Einschätzung der eigenen Risikotragfähigkeit ist daher ein entscheidender Schritt auf dem Weg zum eigenen Wertpapierportfolio. Bevor du mit dem Investieren beginnst, solltest du dir unter anderem folgende Fragen stellen:
Wie tief kann das Portfolio im Wert fallen, ohne dass ich mich unwohl, ängstlich oder gestresst fühle?
Bei der Beantwortung dieser Frage solltest du berücksichtigen, dass der Aktienmarkt 50 Prozent oder mehr im Wert fallen kann. Je höher der Portfoliowert ist, desto emotional schwerer ist solch ein Kurseinbruch auszuhalten. Es ist emotional ein großer Unterschied, ob ein Portfolio von 10.000 Euro auf 5.000 Euro oder von 100.000 Euro auf 50.000 Euro fällt.
Je höher der risikofreie Anteil, desto geringer ist bei einem Kurseinbruch des Aktienmarktes der Wertverlust des Portfolios.
Wie hoch ist mein weiteres Vermögen nach Abzug von Schulden?
Zum weiteren Vermögen gehören z. B. Immobilien, direkte Unternehmensbeteiligungen, Rentenansprüche, Kapitallebensversicherungen oder dein Humankapital.
Börsenlexikon: Humankapital
Bezeichnet das Wissen und die Fähigkeiten über die eine Person verfügt. Das persönliche Humankapital kann durch Bildung und Erfahrung erweitert und einem Unternehmen oder anderen Menschen im Austausch gegen Geld zur Verfügung gestellt werden.
Je höher das weitere Vermögen ist, desto größer kann der risikobehaftete Teil des Portfolios ausfallen.
Was ist mein Mindestanlagehorizont?
Das ist der Zeitraum, während dessen du kein Kapital aus deinem Portfolio entnimmst. Je länger dieser Zeitraum ist, desto eher können Kursverluste „ausgesessen“ werden. Bei einem sehr langen Anlagehorizont von 15 Jahren und mehr, wäre es im Hinblick auf mögliche Kursverluste nicht zu riskant, einen risikobehafteten Anteil von 100 Prozent zu wählen.
Wichtig: Für ungeplante Notfälle solltest du immer eine Notreserve auf einem Tagesgeldkonto bereithalten. Nichts wäre ärgerlicher, als bei einem Kurseinbruch des Aktienmarktes ETF-Anteile mit Verlust verkaufen zu müssen.
Welche Ziele möchte ich mit meinem Portfolio erreichen?
Wenn du Vermögen aufbauen möchtest, sollte der risikobehafteten Teil des Portfolios möglichst groß gewählt werden, da nur so langfristig eine positive Realrendite erzielt werden kann. Willst du dein vorhandenes Vermögen nur erhalten, dann sollte der risikobehaftete Teil gerade so groß gewählt werden, dass die erwartete Rendite die Inflation ausgleicht.
Wie hoch ist mein monatliches Nettoeinkommen?
Kannst du alle deine laufenden fixen (Miete, Lebensmittel etc.) und variablen (Urlaub, Hobby etc.) Kosten ohne Einschränkung aus deinem monatlichen Nettoeinkommen bezahlen, dann kann der risikobehaftet Teil des Portfolios auch etwas höher ausfallen. Kommst du gerade so über die Runden, dann ist ein eher geringerer risikobehafteter Anteil ratsam.
Bin ich für andere Menschen finanziell verantwortlich?
Hast du eine eigene Familie oder sind andere Menschen finanziell von dir abhängig, kann es ebenso ratsam sein, den risikobehafteten Anteil etwas geringer anzusetzen. Vor allem in Kombination mit einem eher knappen monatlichen Nettoeinkommen ist dieser Punkt von Bedeutung.
Noch unsicher? Auch kein Problem!
Das waren nur einige der Fragen, die du für dich selbst beantworten solltest. Eventuell gibt es weitere Faktoren, die für dich eine Rolle spielen. Und natürlich kann sich auch deine Lebenssituation im Laufe der Zeit verändern. Vielleicht gründest du eine Familie und bekommst Kinder. Dann kann sich auch deine Risikotragfähigkeit wieder ändern.
Wir Menschen neigen dazu, unsere Risikotragfähigkeit zu überschätzen. Wenn du dir unsicher bist, solltest du den risikobehafteten Anteil deines Portfolios lieber etwas niedriger ansetzten. Mit der Zeit lernst du mit den Wertschwankungen umzugehen und kannst dann den risikobehafteten Anteil nach und nach erhöhen.
Im dritten Teil dieser Artikelserie erfährst du wie du den risikobehaftete Anteil deines Portfolios (Weltportfolio) gestalten kannst und was du dabei beachten solltest.
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